„Wissen Sie nicht, wer ich bin?“ – mit diesem Ausruf fuhr DDR-Stararchitekt Hermann Henselmann einen verdutzten Kellner an, der seine Bestellung nicht aufnehmen konnte. „Es gibt drei berühmte Deutsche: Thomas Mann, Heinrich Mann – und Henselmann!“
Diese und viele andere Anekdoten über ihren Großvater erzählte Florentine Anders am 16. Juli bei einer Lesung aus ihrem Familienroman Die Allee, organisiert von der AG Kultur und der Kurt-Tucholsky-Bibliothek.

Die Geschichte verwebt persönliche Erinnerungen mit Zeitgeschichte – ein vielschichtiger Blick auf das Leben in der DDR, auf das Erbe des Bauhauses, die sozialistische Architektur und auf zwei starke Frauen: Isi, die Ehefrau des Architekten, und ihre Tochter Isa. Beide kämpften um Selbstbestimmung im Schatten eines Visionärs des öffentlichen Lebens – und eines Cholerikers im Privaten.

Hermann Henselmann prägte die Architektur der DDR wie kaum ein anderer: Der Berliner Fernsehturm, der Jentower in Jena und Teile der Stalinallee zählen zu seinen bekanntesten Bauwerken. „Gebäude, die uns noch heute umgeben und von Utopien erzählen“, so Florentine Anders.
In den gut besuchten Räumen von ProKiez in der Kurt-Tucholsky-Bibliothek ließ sie eine Familiengeschichte lebendig werden, die zugleich ein Stück DDR-Geschichte erzählt. Denn zum Umfeld Henselmanns zählte die gesamte kulturelle Elite des Arbeiter- und Bauernstaates.