Ausgezeichnet: Bötzowbuch im Kiez

Im Internet bestellt, am nächsten Tag bei Bötzowbuch

An einem Sonnentag vor dem Schaufenster von „Bötzowbuch“ verweilen, in den Auslagen stöbern – wer aktuelle Empfehlungen für Romane oder Sachbücher sucht, wird hier fündig. Seit 15 Jahren bietet Romy Weber einen aktuellen Überblick, und ihre Lesungen sind literarische Highlights im Kiez. Nun wurde ihre Buchhandlung mit dem Gütesiegel „Hervorragende Buchhandlung“ beim Deutschen Buchhandelspreis 2024 ausgezeichnet.
Ein Gespräch mit Romy Weber über ihre Bücher und das Überleben im digitalen Zeitalter.

Zuerst einmal: Herzlichen Glückwunsch, Frau Weber zu Ihrem Preis. Wie sind Sie eigentlich zum Buchhandel gekommen? Gab es einen Schlüsselmoment?

Einen richtigen Schlüsselmoment gab es nicht, aber sicherlich hat mich meine Kindheit geprägt. Mein Opa hatte zu DDR-Zeiten einen kleinen Laden auf dem Dorf in Sachsen-Anhalt, wo ich herkomme. Es war kein reiner Buchladen, sondern ein Schreibwaren- und Spielwarengeschäft, das alles verkaufte, was man so im Alltag brauchte. Meine schönsten Erinnerungen sind die, wie ich als Kind mit ihm hinter dem Verkaufstresen saß und meinem Großvater half, Kleinigkeiten zu verkaufen. Das ging bis zur Wende, als der Laden dann schließen musste.

Danach bin ich nach Berlin gegangen, habe an der Humboldt-Universität Literaturwissenschaften studiert und währenddessen im Buchhandel gearbeitet – zunächst als Studentenjob in einer kleinen Sortimentsbuchhandlung in Weißensee. Nach dem Studium boten sie mir eine Festanstellung an, und ich habe mich für den Buchhandel entschieden, statt eine akademische Karriere einzuschlagen. Das war der Anfang meiner beruflichen Laufbahn.

Sie sind mittlerweile seit vielen Jahren selbstständig. Wie kam es dazu?

Nach sieben oder acht Jahren als Angestellte schloss die Buchhandlung, in der ich gearbeitet hatte. Ich hätte bei Dussmann anfangen können, aber zu der Zeit war meine Tochter noch klein, etwa anderthalb Jahre alt. Bei einem Spaziergang durch den Volkspark Friedrichshain kamen wir an einem leeren Laden in der Bötzowstraße vorbei, und meine Freundin meinte, dass hier viele junge Familien hinziehen. Da kam die Idee, einen eigenen Buchladen zu eröffnen, die ich schon länger mit mir herumtrug.

Es war ein mutiger Schritt, aber ich habe es gewagt. Die Regale aus meiner alten Buchhandlung durfte ich mitnehmen, und so habe ich vor 17 Jahren, im November 2006, den Laden eröffnet. Meine Tochter ist quasi im Buchladen aufgewachsen, hat hier gemalt, ihre Hausaufgaben gemacht und ist heute erwachsen.

Romy Weber mit einem Buch von Knut Elstermann

Sie wurden für Ihr Engagement im Buchhandel ausgezeichnet. War das überraschend für Sie?

Ich habe den Deutschen Buchhandlungspreis nun schon zum zweiten Mal erhalten, 2022 und 2024. Überraschend ist es nicht unbedingt, wenn man sich bewirbt, aber es freut mich natürlich sehr, da viele Buchhandlungen teilnehmen. Der Preis wird an kleine, inhabergeführte Buchhandlungen vergeben, nicht an große Ketten. Er würdigt das Engagement – zum Beispiel Leseförderung, Lesungen oder besondere Sortimente. Wir haben etwa einen Kinderleseklub und veranstalten regelmäßig Lesungen. Es ist eine große Anerkennung für unsere Arbeit, und die Preisverleihung durch Kulturstaatsministerin Claudia Roth war sehr schön organisiert. Wir haben das mit einem kleinen Betriebsausflug nach Frankfurt/Oder verbunden.

Wie wählen Sie das Sortiment für Ihre Buchhandlung aus?

Unser Sortiment ist sehr individuell und persönlich. Wir führen keine Massenware und nicht unbedingt die Bestseller der Spiegel-Liste, sondern eine Mischung aus aktuellen und älteren Veröffentlichungen, auf die wir aber besonderen Wert legen, um ein breites und tiefes Sortiment zu präsentieren. Das geht natürlich manchmal gegen die Wirtschaftlichkeit, aber wir legen Wert auf ein breit gefächertes, sorgfältig kuratiertes Angebot, und das wird von unseren Kunden sehr gut angenommen.

Sie veranstalten regelmäßig Lesungen. Wie finden Sie die Autoren?

In den 17 Jahren haben wir über 100 Lesungen organisiert – ohne die Corona-Jahre wären es wahrscheinlich noch mehr. Wir hatten große Namen wie Jenny Erpenbeck, die heute schwer bezahlbar wäre, Clemens J. Setz, Nino Haratischwili und viele andere…aber natürlich unsere lokalen Autoren. Man muss die Autoren für Lesungen anfragen, was viel organisatorische Arbeit bedeutet. Von der Raumplanung bis hin zur Werbung – alles muss vorbereitet werden. Außerdem braucht es Moderation, was oft von Knut Eistermann übernommen wird, manchmal aber auch von mir. Ich gebe zu, dass mir das schwerfällt. Vor 50 Leuten zu sprechen, ist etwas anderes, als im Laden Bücher zu verkaufen.

Wir hatten zwar bekannte Autoren mit deutschlandweiter Reichweite, aber besonders am Herzen liegen mir die Berliner Autoren aus unserem Kiez. Viele von ihnen, wie Alexander Osang, Maxim Leo oder Alena Schröder, leben hier in der Gegend und sind gleichzeitig auch Kunden. Diese Autoren kommen oft selbst auf uns zu, um bei uns zu lesen. Manchmal verzichten sie sogar auf ihr Honorar, sodass wir die Einnahmen spenden können. Das sind besondere Momente, die unsere Buchhandlung und die Beziehung zu den Autoren und Kunden auszeichnen.

Hat das anspruchsvolle Lesepublikum im Kiez besondere Vorlieben?

Ja, die Leser hier legen Wert auf anspruchsvolle Literatur. Aber es gibt auch Zeiten, in denen etwas Leichteres gefragt ist, gerade wenn die Lebensumstände schwieriger werden. Bei Kinderbüchern sind Klassiker sehr beliebt, und ich finde es großartig, dass viele Eltern darauf Wert legen, ihren Kindern vorzulesen und so das Lesen zu fördern.

Wie wirkt sich das Internet auf Ihre Buchhandlung aus?

Das Internet hat vieles verändert, von den Lesegewohnheiten bis hin zur Konkurrenz im Buchhandel. Ich selbst bin noch nicht besonders aktiv in den sozialen Medien, aber das will ich ändern, vielleicht sogar den Buchhandlungspreis nutzen, um das professioneller anzugehen und meine Internetseite besser gestalten. Was die Digitalisierung betrifft, sehe ich Chancen für junge Leute in der Branche, die dieses Thema weiter voranbringen können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Buchhandels?

Die letzten zwei Jahre waren die schwersten in meinen 17 Jahren als Buchhändlerin. Die Kaufkraft hat abgenommen, und die Umsätze sind zurückgegangen. Ich wünsche mir daher mehr Förderung für den Einzelhandel, zum Beispiel für Veranstaltungen oder die Digitalisierung. Die Buchpreisbindung muss unbedingt erhalten bleiben. Es ist auch wichtig, dass die Menschen den lokalen Buchhandel unterstützen, statt bei großen Online-Händlern zu kaufen. Bei uns bekommen sie ihre Bücher genauso schnell: Um 17:30 bestellt ist das Buch schon am nächsten Tag um 10 Uhr bei uns. Die Kunden unterstützen damit eine lebendige Lesekultur, die durch Leseförderung und Lesungen bereichert wird.

Welches Buch würden Sie aktuell empfehlen?

Ich lese gerade Clemens Meyers neues Werk ( Die Projektoren), das auf der Shortliste des Deutschen Buchpreises für 2024 steht und hoffe, dass er den Deutschen Buchpreis wieder gewinnt. Sein Buch ist ein Monumentalepos, das von der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart reicht und auch die DDR-Geschichte umfasst. Es ist ein Geschichtsroman, der unglaublich spannend und komplex ist – eine klare Empfehlung!