„Sprache ist eine Waffe, haltet sie scharf!“ schrieb der Schriftsteller Kurt-Tucholsky, der am 9. Januar 1890 in Berlin geboren wurde. Der Tausendsassa war Journalist, Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor, Lyriker und Kritiker. Er schrieb unter zahlreichen Pseudonymen, wie Kaspar Hauser, Peter Panter oder Theobald Tiger. Seine Waffe setzte er ein gegen die politische Rechte in der Weimarer Republik und gegen den beginnenden Nationalsozialismus. Im Bötzowviertel erinnert der Name der Stadtteilbibliothek in der Esmarchstrasse an den überzeugten Demokraten und Sozialisten.

Zu seinen Ehren hat Pro Kiez ein großes Banner für die Hauswand erstellen lassen, das wir bei einigen Veranstaltungen als Erinnerung an den großen Dichter an der Hauswand der Bibliothek montieren.
Weil es so zeitlos ist, hier der Text aus Anlass seines Geburtstages vor 135 Jahren:
Augen in der Großstadt
Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder.
Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang, die
dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hasts gefunden,
nur für Sekunden…
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider;
Was war das? kein Mensch dreht die Zeit zurück…
Vorbei, verweht, nie wieder.
Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber …
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider.
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.
Theobald Tiger